SECHZIGMÃœNCHEN.
 

Blick zurück: Saison 1968/1969.

Das Löwen-Team in der Saison 1968/1969, hinten (v. li.): Trainer Albert Sing, Rudi Zeiser, Helmut Roth, Jürgen Schütz, Manfred Wagner, Hans Reich, Bernd Patzke, Wilfried Kohlars, ­Hans Rebele, Franz Schäffner, Technischer Leiter ­Kurt Krolopp. Vorne (v. li.): Klaus Fischer, Hans-Günter Kroth, ­Hans Linsenmaier, Horst Schmidt, Petar Radenkovic, ­Bernd Gerstner, Zeljko Perusic, Alfred Heiß, Rudolf Steiner. 

Ein kollektives Aufatmen gab es bei den Spielern, als in der Saison 1968/1969 die Trennung von Trainer Albert Sing bekannt gegeben wurde. Die Trainingsmethoden des Schwaben und sein Unterhaltungsprogramm mit Schnitzeljagden sowie Bogenschießen gingen den Profis gewaltig auf den Keks. Auch seine Einkaufspolitik war wenig erfolgreich. Einzige Ausnahme: Er holte den 18-jährigen Nachwuchsstürmer Klaus Fischer zu den Löwen.

Der vom neuen Präsidenten Franz Sackmann, einem gebürtigen Pfälzer, angekündigte Sparkurs, setzte er konsequent fort. Mit Rudi Brunnenmeier (Xamax Neuchâtel), Hans Küppers (1. FC Nürnberg) und Bibi Bründl (1. FC Köln) verloren die Löwen vor der Saison drei weitere Spieler aus der Meistermannschaft. Erneut wurden die Lücken nur unzureichend mit jungen Spielern aus niederklassigen Vereinen geschlossen. Einzige Ausnahmen: Jürgen „Charlie“ Schütz, der vom AC Brescia in die Bundesliga zurückkehrte. Zusammen mit Timo Konietzka hatte er einst beim BVB ein kongeniales Sturmduo gebildet, das den Spitznamen „Max und Moritz“ trug und 1963 gemeinsam die Deutscher Meisterschaft mit den Dortmundern feierte. Schütz brachte es bei den Löwen in 20 Spielen immerhin auf sieben Tore, war aber oft durch Verletzungen lahmgelegt.

Die Schau stahl ihm jedoch ein 18-jähriges Talent. Klaus Fischer war aus dem Bayerischen Wald nach München gekommen, schaffte auf Anhieb den Durchbruch und erzielte neun Tore in 26 Partien. Ansonsten erwiesen sich die anderen Offensivverpflichtungen im Team als Fehlgriffe.

Außerdem eskalierte immer mehr die Beziehung zwischen den Altstars und Trainer Albert Sing. Am 31. Oktober 1968 hatte der Spuk ein Ende. Sing selbst gab beim TSV 1860 seinen vorzeitigen Abschied bekannt, bei den Spielern war ein kollektives Aufatmen zu erkennen. Selten zuvor hatte eine Löwen-Mannschaft einen Trainer so „dick“ gehabt wie damals. Peter Grosser war zeitweise sogar vom Training suspendiert, auch Bernd Patzke konnte sich mit dem Schwaben nie anfreunden. „Ich hatte oft Streit mit Sing, weil er keine Ahnung hatte. Von Perusic behauptete er zum Beispiel, dass er kein guter Fußballer sei. Dabei habe ich in meiner ganzen Laufbahn keinen so guten Außenläufer gesehen wie den ‚Peru‘. Aber was machte Sing einmal? Er stellte den kleinen Perusic als Verteidiger auf gegen den 1,90 m großen Hartmut Weiß vom VfB. Und als der Weiß dann zwei Kopfballtore erzielt hatte, wurde Perusic von Sing ausgeschimpft.“

Auf den Keks ging den Löwen auch, dass sie von ihrem Trainer wie eine Pfadfinder-Truppe behandelt wurden. Sing veranstaltete im Trainingslager Schnitzljagden und Wettbewerbe im Pfeil- und Bogenschießen. Den Spielern war das aber zu kindisch. Deshalb schlich sich eines Nachts Patzke in den Geräteschuppen, in dem das lästige „Indianer-Spielzeug“ aufbewahrt wurde und brach sämtliche Pfeile und Bogen auseinander.

Hans Pilz, der aus dem eigenen Verein kam, übernahm das Traineramt von Sing auf Platz 13 liegend nach zwölf Spieltagen. Unter ihm legten die Sechzger zunächst eine Siegesserie hin und arbeiteten sich sogar im Januar 1969 bis auf Platz drei vor, darunter war auch ein 2:0-Auswärtserfolg im Grünwalder Stadion gegen den FC Bayern durch Tore von Hans Reich und Klaus Fischer. Doch nach dem Zwischenhoch ging’s wieder bergab. Nach 3:17-Punkten in den letzten zehn Saisonpartien sprang nur der 10. Platz mit einem ausgeglichenen Punktekonte heraus.


KURIOSES

Kein Radi-Ersatz
Absolut fahrlässig handelte die Vereinsführung in der 1. Runde des Messepokals (Vorgänger des UEFA-Cups). Um Geld zu sparen, hatte man darauf verzichtet, einen Ersatz-Torhüter zum Hinspiel bei Legia Warschau mitzunehmen. Künstlerpech: Schon nach etwas mehr als 20 Minuten verletzte sich Petar Radenkovic und musste das Spielfeld verlassen. Jetzt war guter Rat teuer. Schließlich einigte man sich darauf, Stürmer Hans Linsenmaier zwischen die Pfosten zu stellen. Das Ende vom Lied: Die Sechziger gingen mit 0:6 bei den Polen unter und waren damit schon vor dem Rückspiel, das ebenfalls mit 2:3 verloren ging, mehr oder weniger aus dem internationalen Wettbewerb ausgeschieden.

Nächtliche Besuche
Hans Pilz, der Nachfolger von Cheftrainer Albert Sing, wurde von den etablierten Spielern auch nicht unbedingt als große Respektsperson geachtet. Autorität zeigte der ehemalige Co-Trainer nur gegenüber den jüngeren Spielern. Allerdings auf eine nicht gerade feine Art und Weise. Es war durchaus gang und gäbe, dass Pilz noch abends gegen elf, zwölf Uhr bei den Youngsters an der Wohnungstür klingelte. Und wenn ihm aufgemacht wurde, stürmte Pilz ins Schlafzimmer und schaute unters Bett, ob sich dort nicht vielleicht ein Mädel versteckt hielt.

Sechser im Lotte
Er war Nationalspieler und Deutscher Meister gewesen, wechselte anschließend nach Italien. Fünf Jahre später wollte Jürgen Schütz, der beim AC Brescia spielte, wieder nach Deutschland zurückkehren. Der TSV 1860 angelte sich den 29-jährigen Halbstürmer im Sommer 1968, hatte aber zunächst wenig Freude an ihm. Schütz trug zu viel Gewicht mit sich herum, musste erst mal kräftig abspecken. Mitte der Vorrunde dann kam er in Form, schoss einige wichtige Tore für die Sechzger und war fast wieder der „Alte“. Bis zum Lokalderby im Januar 1969. Nach einem rüden Bodycheck von Georg „Katsche“ Schwarzenbeck brach sich Schütz die Schulter und fiel lange aus. Im Sommer 1969 wechselte er wieder zu Borussia Dortmund, beendete aber dann bald seine Karriere. Am 19. März 1995 erlag Schütz einem Krebsleiden. Dabei hätte er einem ruhigen Lebensabend entgegenblicken können. Denn nur wenige Jahre zuvor hatte Schütz im Lotto einen Sechser!


INTERVIEW MIT HANS REICH

Hans Reich wurde am 10. Juli 1942 in München geboren, spielte schon in der Jugend für die Sechzger. Ab 1960 gehörte der Verteidiger zum Oberliga-Kader. Nachdem er in seinem zweiten Jahr 27 Einsätze absolvierte, dauerte es zwei weitere Jahre, bis er sich als Stammkraft unter Trainer Max Merkel endgültig etablieren konnte. Ab 1964 war Reich Stammspieler, absolvierte insgesamt 141 Bundesligaspiele (sechs Tore) für die Löwen, bevor er 1969 zu den Offenbacher Kickers wechselte. 1974 kehrte er aus Linz an die Grünwalder Straße zurück, spielte zwei weitere Jahre für die Sechzger, ehe er 1976 seine Karriere beendete. Neben den Bundesligaspielen absolvierte er für den TSV 1860 40 Oberligapartien und 69 Spiele in der 2. Bundesliga Süd (ein Tor).

Die Saison 1968/1969 war turbulent, gipfelte in der Trennung von Trainer Albert Sing.
Hans Reich: Was der Herr Sing damals mit Sechzig angestellt hat, war eine Katastrophe. Er war stur wie ein Panzer, brachte alles durcheinander.

Wie ist das zu verstehen?
Reich: Ein Problem war, dass er einige Spieler mitbrachte, die für gestandene Stammspieler ins Team rückten, aber wesentlich schlechter waren. Auch hat er die Spieler gegeneinander ausgespielt und falsch eingesetzt. So musste beispielsweise Außenläufer Perusic rechter Verteidiger spielen. Küppers hat er zum Teufel gescheucht, weil er ein Bier zu viel getrunken hatte. Nichts durfte man ohne seine Erlaubnis machen. Wenn wir durch den Wald gingen, mussten wir „O du schöner Westerwald“ singen. Am Ende war er mehr oder weniger mit dem ganzen Team verfeindet. Dabei waren wir eine gute Mannschaft, wollten Erfolg haben. Nach dem Trainerwechsel standen wir zwischenzeitlich auf Rang drei, auch wenn wir am Ende nur Zehnter wurden.

Im Messepokal setzte es bei Legia Warschau eine 0:6-Schlappe. Der verletzt ins Spiel gegangene „Radi“ musste nach 22 Minuten durch Feldspieler Hans Linsenmaier im Tor ersetzt werden. Warum spielte Radi überhaupt?
Reich: Unser Problem war, dass die beiden Ersatztorhüter Anton Gigl und Herbert Schweers damals bei der Bundeswehr waren und deshalb nicht in den „Ostblock“ einreisen durften. Deshalb musste der Radi spielen.

Ihre Karriere verlief danach erfolgreicher als die der Löwen.
Reich: Ja. Ich bin nach der Saison zu Kickers Offenbach gewechselt. Während Sechzig abstieg, sind wir aufgestiegen und wurden Deutscher Pokalsieger.

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