Drei Absteiger, vier Aufsteiger: Über ein Drittel des Teilnehmerfeldes in der 3. Liga ist neu. Wir stellen Euch die sieben Klubs – FC Viktoria 1889 Berlin, Borussia Dortmund II, Würzburger Kickers, 1. FC Schweinfurt 05/TSV Havelse, SC Freiburg II und Eintracht Braunschweig – nacheinander vor.
Auch wenn es viele beim FC Viktoria 1889 Berlin nicht auf dem Schirm haben – der Verein aus dem Ortsteil Lichterfelde hat zwei Mal die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Gut, die meisten Fußball-Klubs waren zu dieser Zeit 1908 und 1911 noch nicht gegründet. Dazu stand er 1907 und 1909 jeweils im Finale.
Der Verein aus der Bundeshauptstadt bringt also jede Menge Geschichte mit. Doch nach dem Ersten Weltkrieg verlor die Viktoria zunächst den Anschluss. 1934 tauchte die Mannschaft noch einmal im Halbfinale um die nationale Meisterschaft auf. Auch 1955 und 1956 erreichten die Berliner die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Danach setzte die sportliche Talfahrt ein, die 1983 im Abstieg in die Bezirksliga ihren Tiefpunkt erreichte.
Erst nach der Jahrtausendwende erlebte der Verein einen neuen sportlichen Aufschwung. 2011 gelang der Aufstieg in die Oberliga Nordost, dem zwei Jahre später der Aufstieg in die Regionalliga folgte. Nachdem eine Fusion mit dem Lichterfelder FC im Jahre 2002 noch gescheitert war, nahmen beide Vereine im März 2013 einen neuen Anlauf. Ende Mai 2013 stimmten die Mitglieder beider Klubs zum 1. Juli 2013 zu. Der Fusionsverein bekam den sperrigen Namen FC Viktoria 1889 Berlin Lichterfelde-Tempelhof und übernahm die hellblaue Trikotfarbe des BFC Viktoria 1889. Auch das Wappen wurde größtenteils vom zweifachen Deutschen Meister übernommen.
Im Mai 2018 gab der Klub die Zusammenarbeit mit der Advantage Sports Union (ASU) aus Hongkong des chinesischen Investors Alex Zheng bekannt, verpflichtete Spieler wie Ex-Löwe Timo Gebhart, der nach dem Drittliga-Aufstieg zunächst keinen neuen Vertrag mehr bekam, Jurgen Gjasula, Christoph Menz oder Petar Sliskovic. Doch die versprochenen Zahlungen blieben aus. So musste der Verein Anfang Dezember 2018 beim Amtsgericht Charlottenburg einen Antrag auf Insolvenz stellen. Trotz eines Neun-Punkte-Abzug und den Abgängen von Leistungsträgern konnte Schlimmeres verhindert werden.
Fast eineinhalb Jahre später, am 12. November 2019, wurde die FC Viktoria 1889 Berlin Fußball GmbH beim Amtsgericht Charlottenburg in das Handelsregister eingetragen und das Insolvenzverfahren gegen den e.V. beendet. Als Mehrheitsgesellschafter stieg die Viktoria 1889 Berlin Shareholder GmbH ein. Diese ist eine Tochtergesellschaft der SEH Sports & Entertainment Holding von Tomislav Karajica und dessen Bruder Zeljko Karajica.
Schon vor dem Investoren-Einstieg ging’s bergauf. Die Saison 2019/2020 wurde mit dem 8. Platz abgeschlossen. Danach drehte Trainer Benedetto Muzzicato zusammen mit Sportdirektor Rocco Teichmann an einigen Stellschrauben. Vor allem in der Offensive wurde die Qualität erhöht mit dem Ziel, in die Spitzengruppe der Regionalliga Nordost vorzustossen. Coach Muzzicato, der 2019 vom Nord-Regionalligisten BSV Rehden in die Hauptstadt gekommen war, ging sogar noch einen Schritt weiter: ,,Wir wollen keine gute, sondern eine sensationelle Saison spielen.“
Der vollmundigen Ansage des Trainers ließ die Mannschaft Taten folgen und gewann alle elf Partien der Saison 2020/2021 bis zum Corona-bedingten Abbruch. Unter anderem gewann die Viktoria jeweils 2:1 gegen Energie Cottbus, den Chemnitzer FC und den ärgsten Verfolger VSG Altglienicke.
Als Volltreffer erwies sich die Verpflichtung von Angreifer Kimmo Hovi, der im Sommer 2020 vom Regionalliga-Konkurrenten Union Fürstenwalde gekommen war. Mit sechs Treffern war der Finne bester Torschütze des Teams. Als Prunkstück der Mannschaft zeigte sich aber die Defensive, die nur neun Gegentreffer zuließ. Großen Anteil daran besitzt Christoph Menz (106 Zweitligaspiele für Union Berlin und Dynamo Dresden). Der mittlerweile 32-Jährige ist im defensiven Mittelfeld gesetzt.
Trainer Muzzicato verlangt von seinen Spielern taktische Flexibilität und setzt gerne Reizpunkte. Der Coach mit italienischen Wurzeln lässt sein Team sowohl im 3-4-3- als auch im 3-5-2-System spielen.
Lange schien es so, als ob die Stadionfrage den Aufstieg der Himmelblauen in die 3. Liga noch verhindern könnte, nachdem der Nordostdeutsche Fußballverband auf seiner Sitzung am 16. April den FC Viktoria zum Meister der Regionalliga Nordost und damit zum Aufsteiger erklärt hatte. Allerdings folgte auf den ersten Antrag im Lizenzierungsverfahren ein negativer Bescheid vom DFB, weil die Viktoria keine drittligataugliche Spielstätte benennen konnte. Das Stadion Lichterfelde erfüllte nicht die erforderlichen Bedingungen.
Für den Geschäftsführer Peer Jaekel begann nun die schwierigste Arbeit. Löwen-Insider werden beim Namen Jaekel aufhorchen. Zusammen mit Geschäftsführer Thomas Eichin, mit dem er schon bei Werder Bremen zusammengearbeitet hatte, war er im August 2016 nach München gekommen, arbeitete als Scout und Kaderplaner für die Sechzger. Im Zuge der Freistellung von Eichin wurde auch der 39-Jährige im Januar 2017 gekündigt.
Der Viktoria-Geschäftsführer konnte dem DFB bis zum 2. Juni die geforderte Lösung präsentieren. Lange war über Olympia- oder Mommsenstadion im Stadtteil Charlottenburg als Spielstätte diskutiert worden, am Ende zauberte Jaeckel jedoch den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark aus dem Hut. Nach intensiven Gesprächen zwischen der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, dem Staatssekretär für Sport, Alexander Dzembritzki, und den Investoren der SEH Sports Entertainmet Holding wurde das ursprünglich stillgelegte Stadion reaktiviert. Die nötigen Umbauten inklusive des Aufstellens einer Flutlichtanlage in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro übernahm der Investor. Im Gegenzug stellt der Senat das Stadion mietfrei zur Verfügung.
Vier externe Neuzugänge hat die Viktoria bisher verpflichtet. Der21-jährige Deji Beyreuther von der Hoffenheimer-Reserve soll das linke Mittelfeld stärken. Vom bisherigen Liga-Konkurrenten VSG Altglienicke kam Tolcay Cigerci. Der 26-jährige Offensivspieler verbuchte in der abgebrochenen Regionalliga-Saison in zehn Spielen neun Tore und zwei Vorlagen. Mit dem 28-jährigen Alexander Hahn schloss sich ein erfahrener Innenverteidiger von Rot-Weiss Essen den Himmelblauen an. Ebenfalls ein Abwehrspieler ist Lukas Pinckert, der von der U23 des Hamburger SV an die Spree wechselte. Der 21-Jährige kann sowohl im Zentrum als auf der rechten Seite spielen. Dazu erhalten vier Spieler aus der eigenen U19 die Chance, sich bei den Profis zu etablieren. „Wir wollen in der 3. Liga eine gute Rolle spielen“, verkündet Sportdirektor Teichmann im kicker selbstbewusst.
DATEN & FAKTEN
Name: FC Viktoria 1889 Berlin Lichterfelde-Tempelhof
Gründung: 06.06.1889
Mitglieder: 1.620 (Stand: März 2017)
Vereinsfarben Hellblau-Weiß
Stadion: Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark (10.000 Plätze)
Social Media: Facebook: @FCViktoria1889Berlin; Twitter: @ViktoriaBerlin; Instagram: @viktoriaberlin
Trainer: Benedetto Muzzicato (seit 01.07.2019)
Letzte Saison: 1. Platz Regionalliga Nordost bei Abbruch mit 33 Punkten aus elf Spielen (Torverhältnis: 26:9)
Bester Torschütze: Kimmo Hovi (6 Treffer)
Bilanz Viktoria 1889 gegen Sechzig: –
Spieler, die für beide Teams aktiv waren: Timo Gebhart, Andreas Scheidl
KURIOSES
Viktoria Berlin stand 1894 im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft gegen den FC Hanau 93. Die Hessen konnten aus Kostengründen damals nicht die Reise nach Berlin antreten. So wurde die Viktoria am Grünen Tisch zum Meister erklärt. 113 Jahre später einigten sich beide Klubs, das ausgefallene Endspiel zu wiederholen. Auch auf dem grünen Rasen triumphierten die Berliner 2007. Das Hinspiel in Hanau gewannen sie vor 5.000 Zuschauern im Herbert-Dröse-Stadion mit 3:0, eine Woche später gab’s beim Rückspiel im Friedrich-Ebert-Stadion ein 1:1. Somit konnte der Verein bis heute eigentlich drei Deutsche Meisterschaften gewinnen, wobei der letzte Titel nicht offiziell anerkannt wird.
TRANSFERS (Stand: 23.06.2021)
Zugänge: Alexander Hahn (Rot-Weiss Essen), Tolcay Cigerci (VSG Altglienicke), Deji Beyreuther (TSG 1899 Hoffenheim II), Lukas Pinckert (Hamburger SV II), Matteo Gumaneh, Shalva Ogbaidze, Yazid Heimur (alle eigene U19)
Abgänge: Cimo Röcker, Philipp Müller, Pardis Fardjad-Azad, Mattis Daube, Melvin Williams, Emre Ertürkler (alle Ziel unbekannt)
Die sieben Neuen der 3. Liga: – 1. Teil Borussia Dortmund II.