SECHZIGMÜNCHEN.
 

Blick zurück: Saison 1963/1964.

Das Löwen-Team in der Saison 1963/1964, hinten (v. li.): Hans Reich, Alfons Stemmer, Werner Anzill, Rudolf Zeiser, Otto Luttrop, ­Manfred Wagner, Rudolf Brunnenmeier, Hanns Küppers, Alfred Heiß, Trainer Max Merkel. Vorne (v. li.): Engelbert Kraus, Wilfried Kohlars, Hans Auernhammer, Fritz Herrnleben, Petar Radenkovic, Rudolf Steiner, Rolf Thommes, Peter Grosser. 

Die Spielzeit 1963/1964 stand im Zeichen der neu gegründeten Bundesliga. Als Süddeutscher Meister hatten sich die Löwen – im Gegensatz zum Lokalrivalen Bayern München – für die neue Profiliga qualifiziert. Am Ende landete 1860 auf dem 7. Tabellenplatz und wurde Deutscher Pokalsieger.

Ganz Fußball-Deutschland fieberte dem 24. August 1963 dem Startschuss für die neugegründete Bundesliga entgegen – fünf Jahre, nachdem es bereits im Eishockey eine nationale Liga gab. Die Löwen, als Süddeutscher Meister qualifiziert, hatten sich mit Peter Grosser vom FC Bayern, Otto Luttrop von Westfalia Herne sowie Berti Kraus von den Offenbacher Kickers prominent verstärkt. Erster Gegner war Eintracht Braunschweig. „Alles andere als ein Sieg gegen Braunschweig ist nicht normal“, hatte Trainer Max Merkel vorher getönt, hinterher war er ebenso tief enttäuscht wie die 35.000 Zuschauer im Stadion an der Grünwalder Straße. Es hatte nur zu einem 1:1 gegen den Dritten der Oberliga Nord gereicht. Rudi Brunnenmeier erzielte zwar das 1:0 in der 17. Minute und damit das allererste Bundesliga-Tor der Sechziger, aber den Niedersachsen gelang gegen eine schwache Löwen-Mannschaft noch der verdiente Ausgleich.

Erst im fünften Spiel gelang den Sechzgern der erste Sieg in der Bundesliga. Fonsi Stemmer, Rudi Brunnenmeier und Hansi Küppers schossen die Tore zum 3:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern. Aber der TSV 1860 war auch in der Folge noch nicht stabil genug. In Meiderich gab’s ein 0:3, eine Woche später ein 5:0 gegen Nürnberg (mit drei Brunnenmeier-Toren) und acht Tage darauf ein 0:5 beim HSV. Den 1. FC Saarbrücken fertigte man dann wiederum 7:1 ab (mit drei Treffern von Berti Kraus), bevor die letzten drei Vorrundenspiele alle verloren gingen.

Auf dem 12. Platz von 16 Mannschaften beendeten die Sechzger die Hinrunde, lediglich zwei Punkte vor dem ersten Abstiegsplatz. In der Rückserie drehten die Löwen dann auf, verloren nur noch drei Mal und schoben sich auf den 7. Platz der Tabelle vor. Dafür sorgte das Merkel-Team im Pokal für Furore.


DER POKALSIEG

Über den amtierenden Meister Borussia Dortmund (2:0), dem 1. FC Kaiserslautern (4:2) und dem 1. FC Saarbrücken (3:1) zogen die Löwen ins Halbfinale des DFB-Pokals gegen Regionalligist Altona 93 ein. Bis fünf Minuten vor dem Ende lag der TSV 1860 zurück, der Traum vom Endspiel zehn Tage später schien so gut wie ausgeträumt. Dann aber gelang Berti Kraus der Ausgleich, und in der Verlängerung ließen die Sechziger dem ermatteten Gegner keine Chance mehr und gewannen dank weiterer Tore von Otto Luttrop, Brunnenmeier und Küppers noch deutlich mit 4:1.

Das Finale fand in Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt statt. In der Woche zuvor herrschte in Deutschland eine Mordshitze. Trainer Merkel erkundigte sich beim Wetteramt, mit welchen Temperaturen denn am 13. Juni, dem Tag des Endspiels, zu rechnen sei. Als er erfuhr, dass bis dahin auf keinen Fall Abkühlung zu erwarten sei, warf der Löwen-Trainer alle angedachten Vorbereitungen über den Haufen. Bereits dienstags fuhr das Team nach Stuttgart und trainierte dort jeden Tag zwischen 11 und 13 Uhr bei einer Gluthitze von 40 Grad.

Die Hessen erschienen erst einen Tag vor dem Finale in Stuttgart, ganz siegesgewiss, auch hinsichtlich der Hitze machten sie sich keine Gedanken. Während die Löwen von Minute zu Minute stärker wurden, baute die Eintracht ab, obwohl die Münchner ein Handicap zu verkraften hatten. Damals waren noch keine Wechsel erlaubt und da sich Verteidiger Rudi Steiner nach zehn Minuten bereits am rechten Oberschenkel verletzt hatte, humpelte er bis zum Spielende mehr oder weniger als Statist auf dem linken Flügel herum. Fredi Heiß rückte dafür in die Abwehr zurück.

Aber selbst diesen Vorteil wussten die flügellahmen Adler nicht zu nutzen. Wilfried Kohlars erziete mit einem satten Schuss das 1:0 zwei Minuten vor der Pause, in der Max Merkel wieder eine Überraschung bereit hielt. Um den Salz- und Flüssigkeitsverlust auszugleichen, hatte er aus zehn Pfund magerem Rindfleisch eine Suppe vorbereiten lassen.

Derart aufgepäppelt kehrten die Sechziger selbstbewusst aufs Spielfeld zurück. Brunnenmeier überwand Eintracht-Keeper Egon Loy mit einem Linksschuss in der 62. Minute zum 2:0-Endstand. Oben auf der Tribüne jubelten die Mitglieder jener Mannschaft, die 22 Jahre zuvor das erste Mal den DFB-Pokal für den TSV 1860 gewonnen hatten. Kapitän Brunnenmeier empfing aus den Händen von DFB-Präsident Hermann Gösmann die Trophäe.

Bei der Rückkehr in München wurden die Löwen wie die Könige empfangen. Die Fahrt vom Hauptbahnhof zum Marienplatz in offenen Autos dauerte über eine halbe Stunde. Im Rathaus wurden sie schließlich von Oberbürgermeister Dr. Jochen Vogel empfangen, und als der „Radi“ um eine Ansprache gebeten wurde, machte er es kurz und bündig: „Will ich nicht viel sagen, sprechen wir uns wieder im Europapokal!“


KURIOSES

Schneelöwen
Gegen Borussia Dortmund gab’s ein 6:1, gegen den HSV sogar ein 9:2 – die Löwen machten in ihrem ersten Bundesligajahr mit zwei Kantersiegen gegen durchaus renommierte Klubs von sich reden. Beide Spiele fanden im Stadion an der Grünwalder Straße auf Schneeboden statt, ein Geläuf, auf dem sich die Sechziger pudelwohl fühlten. Auch wenn sie dabei etwas nachhalfen.

Strumpfhosennummer
Es war bitterkalt an jenem 11. Januar 1964, dem ersten Rückrundenspieltag in der Bundesliga. Die Löwen mussten bei Eintracht Braunschweig antreten, der Platz war verschneit und gefroren – es gab wahrlich Angenehmeres in diesen Tagen, als Fußball zu spielen. Max Merkel kam deshalb auf die Idee, bei einer Firma lange Strumpfhosen zu bestellen, die er in Braunschweig zum ersten Mal dabei hatte. Leider waren sie nicht in fleischfarbener Ausführung geliefert worden, sondern in himmelblau. Als die Spieler die Strumpfhosen zu Angesicht bekamen, weigerten sie sich entrüstet, diese „Babystrampler“ überzuziehen. Sie schämten sich vor dem Braunschweiger Publikum. Aber schließlich konnte Merkel seine Schützlinge von den Vorteilen überzeugen. Wie erwartet empfing die Sechziger schallendes Gelächter von Seiten der Eintracht-Fans. Aber nach den ersten zehn Minuten lachten nur noch die Sechzger. „Wir sind marschiert mit unseren warmen Muskeln, den Braunschweiger Spielern dagegen rann das Blut von den zerschundenen Beinen runter …“, so Merkel. Kohlars brachte mit seinem Treffer in der 23. Minute den ersten Auswärtssieg in der Bundesliga unter Dach und Fach.

Verschobenes Spiel
Am 25. April 1964 schrieb Fonse Stemmer ein ganz dunkles Kapitel in der Vereinsgeschichte des TSV 1860. Der Löwen-Stopper kassierte Geld dafür, dass seine Mannschaft bei Hertha BSC mit 1:3 unterlag. Die abstiegsgefährdeten Berliner hatten Stemmer bestochen. Dieser geriet schnell in Verdacht, stritt es aber lange Zeit vehement ab. Vor Gericht schwor er sogar einen Eid darauf. Ein Meineid, wie sich später herausstellte. Und weswegen er dann auch Jahre später vier Monate im Aichacher Gefängnis einsitzen musste.


INTERVIEW MIT FREDI HEISS

Alfred „Fredi“ Heiß, der aus der Löwen-Jugend stammte, debütierte am 23. August 1959 als linker Flügelstürmer in der Oberliga Süd. In seinen ersten beiden Jahren im Herrenbereich kam er zu 20 Einsätzen, dann legte ihn eine Gelbsucht für ein Jahr lahm. Erst in der Saison 1962/1963 meldete sich Heiß zurück. In der Bundesliga lief der Münchner 169 Mal für die Sechzger auf, erzielte dabei 40 Tore. Seine größten Erfolge waren der DFB-Pokalsieg 1964, das Europapokal-Finale 1965 und die Deutsche Meisterschaft 1966 mit den Löwen. Nach dem Bundesliga-Abstieg 1970 beendete Heiß seine Karriere. Später war er u.a. als Vize-Präsident und Aufsichtsratsmitglied im Verein tätig. Außerdem trug der Offensivspieler acht Mal das DFB-Trikot. 

Herr Heiß, können Sie sich noch ans erste Jahr Bundesliga erinnern?
Fredi Heiß: Sehr gut. Wir hatten einen schwierigen Start, mussten in der Vorrunde einiges an Lehrgeld zahlen. So haben wir beim Hamburger SV mit 0:5 verloren. HSV-Trainer Georg Gawliczek meinte anschließend, dass wir nicht reif für die Bundesliga wären. Seine Worte sind ihm in der Rückrunde aber im Hals stecken geblieben, als wir im Grünwalder sein Team mit 9:2 abgefertigt haben. Das war aber nicht der einzige Kantersieg. Gegen Schalke sind uns zu Hause sechs Treffer gelungen, gegen Dortmund waren es fünf. Für die Gegner war es sehr schwer, bei uns zu bestehen.

Was hat sich für Sie mit der Einführung der Bundesliga geändert?
Heiß: Wir waren plötzlich Vollprofis, trainierten zwei Mal am Tag.

Und Sie verdienten mehr?
Heiß: Das wäre schön gewesen. Wir bekamen damals 1200 Mark im Monat. Das war zwar ein bißchen mehr als ein durchschnittlicher Angestellter bekam, aber viele mussten deshalb ihren Beruf aufgeben. Mein Glück war, dass ich mit 23 Jahren schon selbständig war und einen eigenen LKW besaß. Da ist mir mehr übrig geblieben, als mit dem Fußball. Andere mussten das Wagnis als Vollprofi bitter bezahlen. Es gab einige schwere Schicksale.

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