SECHZIGMÃœNCHEN.
 

Blick zurück: Saison 1987/1988.

Das Löwen-Team in der Saison 1987/1988, hinten (v. li.): Frank Wild, Roland Kneißl, Franz Becker, Andreas Löbmann, Michael Karl, Thomas Schwegle, Thomas Renner, Stefan Jaxt. Mitte (v. li.): Trainer Thomas Zander, Masseur Hodrius, Rainer Aigner, Jörg Schepers, Andreas Schmid, Thomas Zinkl. Betreuer Hugo Hackl, Zeugwart Reisch. Vorne (v. li.): Detlef Bruckhoff, Zdenek Prokes, Joachim Goldstein, Daniel Sciopu, Siegfried Grüninger, Bernd Geesdorf, Klaus Wabra, Kurt Pinkall. 

In der Spielzeit 1987/1988 blieben sich die Löwen treu. Einmal mehr sorgte Präsident Karl Heckl für Eskapaden. Amtsmüde schrieb er bei der Delegiertenversammlung im Spätjahr 1987 einen Scheck über eine Million Mark aus und offerierte das Geld einem Nachfolger als Startkapital. Am 20. April 1988 zog Heckl endgültig einen Schlussstrich unter das Kapitel 1860. Im November 1987 hatte er noch Uwe Klimanschefski als Trainer für den glücklosen Thomas Zander engagiert. Auch mit „Klima“ wurde die Aufstiegsrunde als Dritter verpasst, dafür sorgte der Coach mit seinen Sprüchen für Stimmung rund um die Grünwalder Straße. 

Interimstrainer Thomas Zander bekam im Sommer 1987 einen Cheftrainer-Vertrag. „Das Traineramt bei 1860 ist wohl eine der reizvollsten Aufgaben.“ Jedenfalls wusste der Torhüter aus langjähriger Anschauung, welchen Schleudersitz er übernahm. Neuer Manager wurde Fritz Bank. Als führer Trainer des FC Wacker München kannte er die Bayernliga bestens. „Wir müssen endlich lernen, uns wie ein normaler Bayernligaverein zu bewegen“, war seine Ansage.

Die Fluktuation hielt sich im Sommer für Löwen-Verhältnisse weitgehend in Grenzen. Martin Tilner, Stefan Brandenburger, Klaus Seidel, Edgar Engert und Hans-Werner Grünwald verließen den Klub, es kamen der zweitligaerfahrene Torhüter Siegfried Grüninger (SC Freiburg), Daniel Sciopu (SC Sulzemoss, Michael Karl kehrte zurück (FC Wacker München) und von der eigenen Jugend rückten Thomas Zinkl und Markus Wolf auf.

Bis auf das peinliche Verbandspokal-Aus nach Verlängerung beim VfR Garching machte es die junge Mannschaft zunächst gut. Nach dem ersten Saisonviertel standen die Löwen einen Punkt hinter Spitzenreiter MTV Ingolstadt. Zu Ende der Vorrunde verloren sie nacheinander die Partien gegen die direkten Konkurrenten um die Tabellenführung, Unterhaching, Vestenbergsgreuth und Ingolstadt.

Und wieder reagierte der TSV 1860 branchenüblich: Zander musste im November 1987 gehen, Uwe Klimaschefski hieß der Neue. Ein Mann, vor allem bekannt durch sein loses Mundwerk. Im Schlepptau des Trainers tauchte bei den Löwen auch ein neuer Manager auf: Frank Fleschenberg. Der sorgte nochmals für Nachschub an Spielern, die man eigentlich gar nicht benötigte: zwei isländische Nationalspieler, Ragnar Margeirsson und Gudni Bergsson, einen jugoslawischen Kettenraucher namens Predag Pasic und dessen Landsmann Damir Kalapac, den Tschechen Zdenek Prokes sowie Maximilian Heidenreich von Hannover 96. Lauter Flops, die im darauffolgenden Sommer schon wieder das Weite suchten.

Der Trainerwechsel schien erfolgreich zu sein. Unter Klimaschefski gewann die Mannschaft die ersten fünf Spiele, wobei man dazu sagen muss, dass kein Top-Gegner darunter war. Doch dann folgte eine Serie von sieben sieglosen Spielen und 4:10-Punkten. Am 30. März hatte der TSV 1860 im Heimspiel nochmals die Möglichkeit, an Tabellenführer SpVgg Unterhaching heranzurücken, kassierte aber in letzter Sekunde den 3:3-Ausgleich. Drei Tage später folgte eine 1:2-Niederlage beim TSV Vestenbergsgreuth, womit der Meisterschaftszug endgültig ohne die Sechzger abgefahren war.

Die Fans reagierten darauf mit Missachtung. Nach der peinlichen 2:4-Niederlage bei der SpVgg Landshut fanden sich zum Heimspiel gegen die Amateure des FC Bayern gerade noch 300 Zuschauer im Stadion an der Grünwalder Straße ein. Das gab auch Präsiden Karl Heckl den Rest. Am 20. April 1988 saß er mit Trainer Klimaschefski, Manager Fleschenberg und Geschäftsführer Martin Unger in der „Osteria Italiano“ in der Schellingstraße beim Abendessen, als er kurz vor 22 Uhr plötzlich verkündete: „Meine Herren, ich möchte Ihnen hiermit mitteilen, dass ich ab sofort als Präsident des TSV 1860 zurücktrete!“

Seine drei Tischgenossen waren wie vom Donner gerührt, damit hatte nun wirklich gar keiner gerechnet. Heckl allerdings erklärte dann unter Tränen weiter, dass er sich alles reiflich überlegt habe und dass es keinesfalls eine Entscheidung sei, die er Knall auf Fall getroffen habe.

In einer Pressemitteilung erläuterte er dann einen Tag später seine Beweggründe: „In den vergangenen vier Jahren habe ich alles in meiner Macht stehende getan, um einen Wiederaufstieg in die Bundesliga zu ermöglichen. Neben großem, persönlichem Einsatz haben Opfer in Millionenhöhe und optimale Bedingungen nicht ausgereicht, die Einsatzfreude der Mannschaften als unerlässliche Voraussetzung für den Erfolg zu gewährleisten. Meine Tätigkeit war nicht nur mit großen Opfern, sondern auch mit einem erheblichen Verzicht auf Lebensqualität verbunden. Es war unerträglich für mich als Präsident, trotz meines opferfreudigen Einsatzes Anfeindungen, Verleumdungen und ungerechtfertigte Nachstellungen in Kauf nehmen zu müssen.«“

Schon ein halbes Jahr zuvor hatte Heckl auf einer Delegiertenversammlung seinen Rücktritt angeboten („Ich habe den Wunsch, aus dem Verkehr gezogen zu werden …“), einem Nachfolger einen Scheck über eine Million Mark als „Starthilfe“ offeriert. Aber es fand sich niemand dazu bereit.

Heckl hatte viele Nackenschläge einstecken müssen. „Auch im Privatleben, und nur weil ich Präsident von 1860 war.“ Dazu die zahlreichen Enttäuschungen im sportlichen Bereich. Obwohl Heckl während seiner Amtszeit rund fünf Millionen Mark in den Verein gesteckt hatte, kam nichts dabei raus. In seiner fußballerischen Ahnungslosigkeit fiel er immer wieder auf Leute herein (Trainer, Manager, Berater), die ihm das Blaue vom Himmel herunter versprachen, aber am Ende keinen Erfolg vorweisen konnten.

Sportlich landeten die Löwen mit acht Punkten Rückstand auf Unterhaching in der 17er-Liga auf Platz drei. Wieder ein verschenktes Bayernliga-Jahr!


KURIOSES

Klima und die Sprüche
Uwe Klimaschefski war für sein loses Mundwerk bekannt. So fragte er nach der Pressekonferenz seines ersten Spiels nach den Ergebnissen der Bundesliga. „Kann mir jetzt jemand sagen, wie der richtige Fußball heute ausgegangen ist?“ Oder nach einem Kullertor von Maximilian Heidenreich in Heidingsfeld grinste „Klima“ nach der Ankunft in München: „Übrigens, der Platzwart aus Heidingsfeld hat angerufen, der Ball hat soeben die Linie überschritten.“ Zu Franz Becker, der mal zu spät zum Training kam, weil er angeblich eine Reifenpanne hatte, meinte er: „Den Reifen will ich sehen, den bringst du morgen ins Training mit.“ Bekannt war Klimaschefski auch für seinen Geiz. So verzichtete er auf Haarwasser und schmierte sich immer Massageöl auf den Kopf: „Das ist billiger, aber genauso gut.“ Gegen Ende der Saison sah Klimaschefski hin und wieder schon mal davon ab, sich die weiten Auswärtsreisen anzutun und übertrug Betreuer Hugo Hackl die Trainer-Arbeit. Er, Klimaschefski, müsse wegfahren, um sich neue Spieler anzusehen. In Wahrheit aber machte er es sich im „Palmengarten“, einer Schwabinger Kneipe, zur selben Zeit gemütlich.

Ungewöhnlicher Vergleich
Fritz Bank, zu Saisonbeginn noch Manager bei den Löwen, machte sich bei den Fans unbeliebt, als er mit folgender Aussage mehr Realitätssinn einforderte: „Wenn 1860 gegen den FC Bayern antritt, dann ist das das gleiche, als würde Österreich Amerika den Krieg erklären.“ Für die treuen und leidgeprüften Sechzger goss er mit diesem Vergleich Öl ins Feuer.

Vom Milliardär zum Millionär
Als Karl heckl sich vom TSV 1860 verabschiedete, „schenkte“ er dem Verein sämtliche von ihm zur Verfügung gestellte Darlehn und sorgte für eine ausgeglichene Bilanz zum 30. Juni 1988. Legendär deshalb sein Ausspruch, den er kurz vor seinem Rücktritt zum Besten gab: „Ich bin der einzige Mensch, der beim TSV 1860 zum Millionär wurde. Vorher war ich Milliardär!“


INTERVIEW MIT ROLAND KNEISSL

Roland Kneißl schwang über Jahre das Zepter im Löwen-Mittelfeld. Zu seiner aktiven Zeit wurde er wegen seiner überragenden technischen Fähigkeiten nur „Magic“ gerufen. Isngesamt absolvierte er 132 Bayernligaspiele (57 Tore), 33 Einsätze in der 2. Bundesliga (2) und zum Abschluss seiner Karriere – er war damals schon Co-Trainer unter Werner Lorant – noch ein Spiel im Oberhaus. Abseits des Platzes bekleidete er bereits einige Ämter im Verein: Co-Trainer, Sportchef und Geschäftsführer der TSV 1860 Merchandising GmbH.

Herr Kneißl, in die Bayernliga-Saison 1987/88 ging‘s mit Thomas Zander als Trainer, im November wurde er von Uwe Klimaschefski abgelöst. Größer konnten die Gegensätze wohl kaum sein?
Roland Kneißl: Das stimmt. Thomas Zander war ein ganz ruhiger Zeitgenosse, den ich immer sehr geschätzt habe und der auch ein ausgezeichneter Torwart war. Leider hatte er nicht den nötigen Erfolg. Deshalb ist Klimaschefski gekommen, der damals schon mit allen Wassern gewaschen war. Er hat für eine wahnsinns Stimmung gesorgt – aber immer auf Kosten der Spieler.

Welche Episoden sind Ihnen noch in Erinnerung?
Kneißl: Da gab‘s einige. Einmal war ein Spieler zu einem Probetraining bei uns. Als er unter der Dusche stand, warf ihm Klimaschefski plötzlich einen Ball zu und sagte zu ihm: „Halt mal den Ball hoch. Ich will wissen, ob du auch bei Regen spielen kannst.“ Oder gegen Ende der Saison, als klar war, dass wir nicht die Relegationsspiele zur Zweiten Liga schaffen würden, erklärte Klimaschefski, er müsse Spieler sichten und übertrug Hugo Hackl die Betreuung der Mannschaft. Tatsächlich hat er in einem Schwabinger Café gesessen.

Die Löwen beendeten die Saison hinter Unterhaching und Vestenbergsgreuth als Dritter. Wieso klappte es erneut nicht mit dem Aufstieg?
Kneißl: Das war eine chaotische Zeit. Überall, wo wir hinkamen, herrschte Ausnahmezustand. In Plattling zum Beispiel warteten 10.000 Leute mit den „Hackerlstöcken“ auf uns. Da war die Bande nur zwei Meter vom Spielfeld entfernt. Dort haben sie dir mit dem Regenschirm auf den Schädel gehauen. In diesen Hexenkesseln war es für uns immer mega schwierig. Für die Gegner war es das Spiel des Jahrhunderts. Statistiken belegen, dass die Mannschaften, die damals gegen uns einen Punkt geholt oder gewonnen haben, anschließend fast immer verloren.

Präsident Karl Heckl warf gegen Ende der Saison das Handtuch. Was war er für ein Typ?
Kneißl: Er war ein extremer Präsident, der unheimlich launisch war und relativ wahllos und planlos sein Geld in den Verein investierte. So gab es 1987 die legendäre Mitgliederversammlung, bei der er auf dem Podium einen Scheck über eine Million Mark ausstellte und sagte: „Wer jetzt aufsteht und mein Nachfolger wird, dem drücke ich den Scheck in die Hand.“ Es hat sich aber keiner gemeldet.

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