SECHZIGMÃœNCHEN.
 

Blick zurück: Saison 1972/1973.

Das Löwen-Team in der Saison 1972/1973, hinten (v. li.): Masseur Schneider, Gerhard Bopp, Franz Hiller, Walter Sohnle, Erwin Hohenwarter, Hans-Dieter Seelmann, Walter Schuberth, Dieter Brozulat, Trainer Hans Tilkowski. Mitte (v. li.): Hans-Günther Kroth, Horst Schmidt, Erich Weixler, Wolfgang Lex, Werner Luxi, Karl-Heinz Meininger, Hans-Dieter Zahnleiter, Max Müller. Vorne (v. li.): Georg Metzger, Anton Deml, Bernd Helmschrot, Ferdinand Keller, Hans-Joachim Weller, Heiner Schuhmann. 

Der Aufstieg sollte in der Saison 1972/1973 unbedingt her. Dafür investierten die Löwen kräftig in die Mannschaft. Doch bereits nach vier Punktspielen (3:5 Zähler) und dem Aus im DFB-Pokal war Trainer Hans Tilkowski Geschichte. Der neue Coach, Elek Schwartz, schaffte nach einer Auftaktniederlage eine Serie von 13:1-Punkten. Trotzdem schaffte 1860 während der gesamten Saison nicht den Sprung auf die ersten beiden Plätze, beendete die Spielzeit erneut auf Rang drei.

Der Sommer 1972 war das Jahr der Olympischen Spiele in München. Das neue Oval, in das die Löwen im November des gleichen Jahres umzogen, sollte wirtschaftlich neue Möglichkeiten erschließen. Entsprechend wurde die Mannschaft verstärkt. Ferdl Keller, der den TSV 1860 nach dem Abstieg 1970 in Richtung Hannover verlassen hatte, wurde zurückgeholt. Der Pasinger, der sich bei den Niedersachsen zu einem Torjäger gemausert hatte, sollte für die nötige Abschlussqualität in der Löwen-Offensive sorgen. In seinem Schlepptau befand sich Kellers Spezi Hanjo Weller, ein technisch sehr versierter Mittelfeldspieler.

Lange stritten der TSV 1860 und Hannover um die Ablösesumme für die beiden, ehe das DFB-Schiedsgericht ein Machtwort sprach und anordnete, dass Hannover 550.000 Mark für Keller und Weller zu erhalten habe. Für die mit 1,5 Millionen Mark verschuldeten Löwen ein harter Schlag, aber schließlich finanzierten Gönner des Vereins den Transfer der beiden Stars. Mit den beiden Neuzugängen war der Aufstieg fast schon ein Muss. Gehörig viel Druck für Hans Tilkowski, der in seine dritte Saison ging. So lange hatte es seit dem Abgang von Max Merkel niemand mehr auf dem Trainerstuhl der Sechzger ausgehalten.

Prompt ging der Start in die Hose. Ein 1:4 bei Bayern Hof löste gleich Entsetzen aus. Vier Tage später fand das erste Lokalderby im neuen Olympiastadion als Freundschaftsspiel statt. 1:3 verloren die Löwen gegen die Bayern, den amtierenden Deutschen Meister. Der Anteil aus der Einnahme (79.000 Besucher waren gekommen) tat der schwindsüchtigen Löwen-Kasse jedoch mehr als gut.

Sportlich allerdings blieb‘s weiter mau. Im ersten Heimspiel gegen Jahn Regensburg langte es nur zu einem 2:2 (zwei Keller-Tore) und die Fans forderten bereits den Rauswurf von Hans Tilkowski, der durch einen Nebenausgang aus dem Stadion flüchtete. Auch die Führung begann zu grübeln. Sie ließ die Mannschaft abstimmen, ob man an Tilkowski weiter festhalten solle oder nicht. Im „Amberger Hof“ trafen sich die Spieler, aber nur drei von 18 sprachen sich gegen den Trainer aus. Der „Til“ durfte bleiben. Auch nach dem 1:3 in Reutlingen und mittlerweile 1:5-Punkten.

Dann gab’s endlich den ersten Sieg. Vor 16.000 Zuschauern wurde zu Hause die Stuttgarter Kickers besiegt. Keller traf erneut doppelt, Weller einmal. Eine Woche drauf setzte es in Stuttgart gegen den gleichen Gegner mit 0:1 das Aus im DFB-Pokal und nun war auch für den Trainer endgültig Schluss. Am 31. August 1972, mitten während der Olympischen Spiele, gab der Verein die Entlassung des von Tilkowski bekannt.

Der neue Mann an der Seitenlinie war jemand, mit dem nun gar keiner gerechnet hatte. Er hieß Elek Schwartz, war Ungar und immerhin schon 64 Jahre alt. In den 1960er-Jahren hatte er mal Eintracht Frankfurt betreut. Ein Schöngeist, der nie richtig den Kontakt zur Mannschaft fand. Aber auch für die Spieler hatte der schlechte Start Konsequenzen. Die Vereinsführung erteilte ihnen Lokalverbot für deren Stammkneipe, „Die Zwickmühle“, und andere Bars. Eine im Grunde lächerliche Maßnahme, die die ganze Hilflosigkeit der Funktionäre offenbarte.

Das erste Spiel unter Elek Schwartz ging übrigens auch verloren (0:1 in Darmstadt), zwischenzeitlich folgte jedoch eine Serie von 13:1 Punkten. Richtig trostlos verlief die Punktspielpremiere im Olympiastadion gegen den VfR Bürstadt. Lediglich 5.000 Fans bejubelten am 28. Oktober 1972 den 5:2-Erfolg im über 70.000 Zuschauer fassenden Rund.

Die gesamte Saison schafften die Sechzger nicht einmal den Sprung auf Platz zwei, geschweige denn auf Rang eins. Am Ende der Saison war man wie im Vorjahr Dritter mit drei Punkten Rückstand auf den KSC und verpasste erneut die Aufstiegsspiele zur Bundesliga.


KURIOSES

Sturm fegt Stehhallen-Dach weg
In der Nacht vom 12. Auf den 13. November 1972 hob ein Orkan das Dach der Stehhalle, die erst drei Jahre zuvor umgebaut worden war, ab. Auf der Tribüne befand sich viele Jahre lang stets der ganz harte Kern der 1860-Anhänger. Unter ihnen auch der legendäre Löwen-Otto, der sich zum Gelächter der Zuschauer mal während eines Spiels auf den Platz schwindelte und mit seinem blauen Trikot eine Minute lang mitlief, ehe der Schiedsrichter den „blinden Passagier“ bemerkte. Nach dem schweren Sturm wurde ein Neuaufbau von der Stadt zunächst nicht in Betracht gezogen, zumal die Löwen und die Bayern mittlerweile im Olympiastadion spielten. Nach jahrelangen Diskussionen bekam die Stehhallen-Seite eine neue Sitztribüne. Im April 1978 wurde mit dem Bau begonnen, am 27. März 1979 war die Tribüne fertig und wurde mit einem Derby zwischen den Löwen und den Bayern, das 1:1 endete, eingeweiht.

Kunstliebhaber und die Atemtechnik
Elek Schwartz kam nicht zuletzt nach München, weil die Stadt für den Kunstliebhaber viel zu bieten hatte. Der Löwen-Trainer besuchte die Alte Pinakothek, in der er, so spotteten manche, häufiger gesichtet wurde als auf dem Trainingsplatz. Auch die Spieler machten sich hin und wieder über den alten Trainer lustig. So zum Beispiel, wenn Schwartz ihnen beim Dauerlauf die richtige Atemtechnik beibringen wollte. Der Trainer gab dabei durchaus seltsame Geräusche von sich, und anstatt diese nachzumachen, prusteten die Spieler vor Lachen.

Spielmacher mit Torinstinkt
Nachdem Hanjo Weller am 28. April 1973 beim 3:2 über Hessen Kassel alle drei Tore erzielt hatte und mit Abstand der beste Mann auf dem Platz war, forderte Löwen-Fußballchef Walter Kraus: „Dieser Weller gehört in die Nationalelf.“ Bundestrainer Helmut Schön allerdings war auf diesem Ohr taub, mit Günther Netzer und Wolfgang Overath besaß er ohnehin zwei Weltklasse-Spieler auf der Spielmacher-Position. „Es gibt derzeit in Deutschland nur zwei Fußballer, die besser sind als Weller. Und die heißen Franz Beckenbauer und Günther Netzer“, fand auch Elek Schwartz. Weller, der bei den Löwen eine überragende Rückrunde spielte und auf insgesamt 18 Saison-Tore kam, war auch ansonsten nicht vom Pech verfolgt. Zusammen mit seinem Mannschaftskollegen Erwin Hohenwarter gewann er 46.000 Mark im Lotto.


INTERVIEW MIT HANS-DIETER SEELMANN

Hans-Dieter Seelmann war eines der größten Löwen-Talente, debütierte 1970 in der Jugend-Nationalmannschaft und schaffte ein Jahr später den Sprung ins Profiteam, blieb den Löwen insgesamt fünf Spielzeiten bis 1976 treu. Nach mehrmals verpasstem Bundesliga-Aufstieg wechselte er zu Wormatia Worms. In der Spielzeit 1979/1980 kehrte der Abwehrspieler nochmals zu Sechzig zurück, kam aber nicht zum Einsatz und beendete seine Karriere bei der SpVgg Fürth. Insgesamt absolvierte er 88 Regionalliga-Spiele (3 Tore) für die Sechzger und 43 Partien (1) in der 2. Bundesliga.

Die Saison 1972/73 – welches Erlebnis ist Ihnen noch gegenwärtig?
Hans-Dieter Seelmann: Sicherlich die Olympischen Spiele in München. Und ich hatte damals als noch 19-Jähriger die Möglichkeit, mit so Größen wie Trainer Jupp Derwall, Otmar Hitzfeld, Uli Hoeneß oder Manni Kaltz zusammen zu spielen. Das war ein super Erlebnis. Wir wohnten im Olympiadorf mit Athleten wie dem Fünf-Zentner-Koloss Chris Taylor, den Wilfried Dietrich im Ringen besiegte, zusammen, sahen Läufern, Springern und Boxern beim Training zu, trafen uns abends in der Disco. Für mich war das einfach faszinierend.

Bereits zum 31. August, kurz nach Saisonbeginn, kam das Aus für Löwen-Coach Hans Tilkowski?
Seelmann: Ob er für 1860 ein guter Trainer war, sei dahingestellt. Ich jedenfalls habe ihm viel zu verdanken. Er hat mich im Jahr zuvor aus der Jugend geholt und gefördert. Nach den Olympischen Spielen erhielt ich meinen ersten Lizenzspielervertrag.

Aus dem Aufstieg in die Erste Liga wurde nichts, obwohl die Löwen ordentlich auf dem Transfermarkt zuschlugen?
Seelmann: Damals kamen Ferdinand Keller und Hajo Weller für die spektakuläre Summe von 550.000 Mark aus Hannover zu uns. Die beiden hatten eigentlich gut zu uns gepasst, aber als Mannschaft haben wir nicht harmoniert. Am Ende verpassten wir als Dritter den Aufstieg erneut.

Für Tilkowski kam der Ungar Elek Schwartz als Trainer ...
Seelmann: Das war ein lustiger Kerl, aber im Profigeschäft hatte er eigentlich nichts verloren. Ich weiß noch, dass er wahnsinnig gerne gegessen hat und oft die Alte Pinakothek besuchte. Die Spieler sind ja bekanntlich „Sauhunde“, haben seine Schwächen schamlos ausgenutzt.

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